Deutliches Zeichen für Demokratie und Vielfalt

Mehr als 4000 Menschen setzten in Simmern ein deutliches Zeichen für Demokratie, Vielfalt und Menschenwürde. Aufgerufen dazu hatte ein breites Bündnis von Parteien, Kirchen, der Friedens- und der Umweltbewegung, Jugendverbände, Gewerkschaften, Flüchtlingshilfe, Frauenverbände und vielen anderen Vereinen und Verbänden. Anlass war eine AfD-Veranstaltung in der Hunsrückhalle, an der auch die AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel teilnahm.

Viele Christinnen und Christen aller Konfessionen waren nach Simmern gekommen, um hier Flagge zu zeigen und deutlich zu machen, dass der Hunsrück bunt ist. Bei der Kundgebung unterhalb des Simmerner Rathauses sprachen auch der Superintendent des Kirchenkreises Simmern-Trarbach, Markus Risch, und der Dekan des Pastoralen Raumes Simmern, Lutz Schultz, zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Hier der Wortlaut ihrer Ansprache:

 

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe
Jahreslosung 2024, 1. Korinther 16,14 (E)

„Es ist gut, dass wir hier sind.

Es ist gut dass wir zusammenstehen für Toleranz, Menschenrechte und Demokratie.

So verschieden wir sind, das eint uns: Wir wollen in einer menschenfreundlichen, freien und offenen Gesellschaft leben.

Wir sind hier, weil wir erschrecken über die Kälte, die sich in unserer Gesellschaft heute breitmacht.

Als Demokrat*innen sind wir herausgefordert. Aber auch als Kirchen.

Wir Kirchen verstehen uns in dieser Gesellschaft als Brückenbauer. Wir sind unerschütterliche Optimisten, dass es tragfähige Brücken geben kann.

Wir halten heute allen, die Brücken abbrechen, die aktuelle „Jahreslosung“ entgegen: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Wenn wir Christen sind, erkennen wir in jedem Menschen Gottes Ebenbild. Jeder Mensch ist von Gott geschaffen und geliebt. Jeder Mensch hat von Gott her eine unantastbare Würde, die nicht infrage gestellt werden darf.  Das entspricht dem, was auch Art. 1 des GG sagt. Hier teilen Christen und Andersgläubige ein gemeinsames Bild vom Menschen!

Gottes Ebenbilder haben keine Nationalität und keine Hautfarbe. Sie haben auch keine Religion und kein Parteibuch. Gottes Ebenbilder sind männlich, weiblich und divers. Sie sind hetero-, homo-, trans- und intersexuell. Menschen mit und ohne Behinderung.

Über allem, was uns unterscheidet steht das, was uns verbindet: Das ist unser Menschsein. Wir sind Menschen!

Jeder und jede ist einmalig und kostbar, weil Gott ihn und sie genauso und nicht anders geschaffen hat.

Es gibt keinen Grund und kein Recht, irgendjemandem die Menschenwürde abzusprechen oder die Verteidigung der Menschenwürde lächerlich zu machen.

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Zu unserem Menschenbild gehört die Gemeinschaft. Alle tragen sie mit, weil die Gemeinschaft alle trägt. Die Gemeinschaft ist der Boden für jeden Einzelnen. Wenn die Gemeinschaft zerstört wird, fallen alle ins Bodenlose. Streitet miteinander, aber spaltet die Gemeinschaft nicht!

Die Gemeinschaft lebt von Mitgefühl, Rücksichtnahme und Solidarität. Sie hat nur Bestand, wenn alle bereit sind, miteinander zu reden, verschiedene Meinungen auszuhalten und sich nicht niederzubrüllen. Es darf nicht alles in Empörung und Wut versinken!

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Streit ist wichtig – in der Kirche, vor allem aber in der Politik. Denn viele Meinungen zu hören, heißt: viele Perspektiven auf eine Herausforderung wahrnehmen. Lasst uns streiten. Lasst uns unterschiedlicher Meinung sein. Aber lasst uns fair streiten, ohne den anderen niederzumachen.

Wir leben in einer Zeit der Krisen. Da gibt es keine einfachen Antworten. Da gibt es nicht DIE eine Antwort. Deshalb brauchen wir die Vielstimmigkeit, die heute auch hier versammelt ist.

Was wir aber nicht brauchen, ist: Alles ist klar. Alles ist einfach.  Wir brauchen gerade jetzt Streit, Diskussion. Wir brauchen unterschiedliche Meinungen!

Was aber nicht geht, ist Menschenhass. Menschenhass ist keine Meinung! Hass auf Menschen, weil sie anders sind, anders aussehen oder anders denken, ist NIE eine Meinung!

Antisemitismus ist keine Meinung. Hass auf irgendeine Religion ist keine Meinung. Rassismus ist keine Meinung. Und dass ich jemanden hasse und deshalb „entsorgen“ will, weil er eine andere Meinung hat, als ich – das ist auch keine Meinung, sondern menschenverachtend.

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Unsere Gemeinschaft bewährt sich dabei besonders im Umgang mit den Schwachen. Das ist die Nagelprobe: Wie gehen wir um mit den Armen, mit Menschen mit Behinderung oder in Notlagen, mit Minderheiten, mit Fremden und Flüchtlingen? Wir sind entsetzt über Pläne, Millionen Menschen aus unserem Land zu vertreiben, weil sie nicht deutsch genug sind. Unsere Bibel sagt: „Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid im Land Ägypten Fremde gewesen.“ (Ex 23,9) Jeder ist ein Fremder, fast überall. Denkt euch in die Schwachen hinein, in die Fremden!

Heute laden wir alle, die guten Willens sind, ein: Baut mit uns Brücken! Knüpft mit uns Netze! Bahnt Wege zueinander für Toleranz, für Menschenwürde und für Demokratie. Gemeinsam sind wir stark, egal welchen Glauben und welche Meinung wir haben. Gemeinsam gestalten wir unsere Gesellschaft weltoffen und krisenfest.

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Gut, dass wir alle miteinander heute hier sind!“

  • 3.2.2024
  • Dieter Junker
  • Dieter Junker