Reichweite Frieden: Gewaltbereitschaft durch Friedensfertigkeit ablösen

Seit 40 Jahren werden die Ökumenischen Friedensdekaden auch im Hunsrück begangen. An den Tagen vor dem Buß- und Bettag wird für den Frieden gebetet, über Schritte zum Frieden nachgedacht, aber auch über den richtigen Weg zum Frieden gestritten. „Die biblische Botschaft vom Frieden schaffen hat es schwer. Aber es gibt keinen Frieden, wenn wir ihn nicht anstoßen, nicht dazu einladen und dafür eintreten“, betonte Christine Busch, die Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), bei einer Veranstaltung im evangelischen Gemeindehaus in Bell.

„Reichweite Frieden“, das Motto der diesjährigen Friedensdekade, das wirke eher nüchtern, bilanzierend, technisch uns spröde angesichts einer verwundeten Schöpfung und einer gequälten Welt, meinte Christine Busch. „Die Klimakrise, die systematische wirtschaftliche Ungerechtigkeit, zunehmende Auswüchse von Populismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erfordern Antworten“, betonte die AGDF-Vorsitzende. Doch dabei würden die Friedensbewegung und pazifistische Forderungen oft belächelt und als überholt betrachtet, bedauerte Christine Busch.

Dabei gelte es, die Gewaltbereitschaft durch eine Friedensfertigkeit abzulösen, machte die AGDF-Vorsitzende in Bell deutlich. Dies umso mehr, als es viele Herausforderungen für den Frieden gebe. „Afghanistan hat deutlich gemacht, dass Militäreinsätze keinen Frieden schaffen. Das muss auch Folgen für Auslandseinsätze in Mali oder anderen Ländern haben. Deutschland ist weiterhin eins der Länder mit den meisten Rüstungsexporten. Da brauchen wir ein Rüstungskontrollgesetz. Und auch die Werbung der Bundeswehr in Schulen und die Rekrutierung von Minderjährigen muss enden“, betonte Christine Busch.

Die gewaltfreie Konfliktbearbeitung habe sich dagegen bewährt, sie biete an, Fähigkeiten einzuüben, um in einer immer vielfältigeren Gesellschaft friedlich, tolerant und achtsam miteinander zu leben, so die AGDF-Vorsitzende. Doch sie werde finanziell viel schlechter ausgestattet als die Bundeswehr. „Dabei ist die Friedensarbeit nicht überholt, sondern professionell und hat ihre Wirksamkeit bei vielen Einsätzen bewiesen“, unterstrich Christine Busch.

Christinnen und Christen müssten dabei ihrer Auffassung nach deutlich ihre Stimme zum Frieden erheben, forderte die Theologin. „Die Kirchen kann es nicht kalt lassen, angesichts der biblischen Verheißung von Frieden und Gerechtigkeit“, meinte sie überzeugt. Doch deutlichen Forderungen in kirchlichen Beschlüssen würden nicht immer auch deutliche Worte der Kirchen gegenüber den politisch Verantwortlichen folgen. „Das zeigt sich beim Atomwaffenverbotsvertrag. Synoden fordern die atomwaffenfreie Welt, doch die EKD zögert, dies auch politisch klar zu vertreten“, kritisiert Christine Busch.

Es war der Auftakt zur Friedensdekade im Hunsrück. „Es ist schön, dass hier im Hunsrück schon so lange für den Frieden gearbeitet wird“, freute sich Christine Busch. „Vier Jahrzehnte Nachdenken darüber, was Frieden bedeutet und ist. Diskutieren über Wege zum Frieden und Beten für den Frieden. An diesem Ort hier hat das noch einmal einen besonderen Klang, denn hier war vor 35 Jahren angesichts der damals auf der Pydna stationierten Raketen mit Atomsprengköpfen eine Großdemonstration, die für ein Ende des Kalten Krieges, die für Abrüstung, Vertrauen und Frieden warb“, so die Beller Pfarrerin Frauke Flöth-Paulus bei einem Friedensgebet auf dem Beller Marktplatz, dem Ort der Großdemonstration von 1986, aber auch der Pfingstkapitel der Ordensleute für den Frieden. „Vier Jahrzehnte ökumenische Friedensdekade. Doch unsere Welt ist immer noch voller Ungerechtigkeit und Unfrieden, voller Misstrauen und Angst. Darum ist es auch heute wichtig, sich auf Gottes Wegweisung zu besinnen und auf seine Zusagen zu vertrauen“, betonte die Pfarrerin.

„Seit 40 Jahren sind hier im Hunsrück Menschen in Bewegung für Frieden, für Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung“, meinte auch Markus Risch, der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Simmern-Trarbach, im Gemeindehaus in Bell. Und es sei eine bleibende Aufgabe: „Wir müssen zu Agenten des Friedens, zu Sachwalter des Friedens werden, für einen Frieden, für den Gott steht“, so Risch.

  • 13.11.2021
  • Dieter Junker
  • Dieter Junker